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Anne Harnisch: Praktikum am Gleimhaus Halberstadt

Ich habe die Praxisphase des Moduls zur materiellen Kultur der Aufklärung im Sommer 2012 im Gleimhaus in Halberstadt absolviert. (http://www.gleimhaus.de   ).

Zu einem der Sammlungsschwerpunkte des Gleimhauses gehört, neben der historischen Bibliothek und einer umfangreichen Kunstsammlung, ein Handschriftenbestand, der etwa 10000 überlieferte Briefe, Werkmanuskripte sowie andere autobiografische Quellen zumeist aus dem 18. Jahrhundert umfasst.

Unter den Briefen befindet sich ein Briefwechsel von Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) mit dem aus Lemgo stammenden Johann Lorenz Benzler (1747-1817). Gleim, der ab 1747 in Halberstadt die Stelle des Domsekretärs bekleidete, war ein bekannter Dichter und Förderer des literarischen Lebens seiner Zeit. Benzler, zu Beginn des Briefwechsels 21 Jahre alt, hatte aufgrund seiner erheblichen Schwerhörigkeit sein Studium in Leipzig abgebrochen und verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst in Lemgo als Angestellter des Buchhändlers Helwing, als Herausgeber des Lemgoischen Intelligenzblattes und später als Postmeister.

Parallel dazu war auch Benzler literarisch tätig. Allerdings weniger als Autor, denn als Sammler von Gedichten und Fabeln, Übersetzer, Organisator und Vertreiber gedruckter Werke u.a. Gleims, F. G. Klopstocks und C. M. Wielands.

 Von den Briefen, die Gleim an Benzler schickte, wurden teilweise vor der Versendung Abschriften angefertigt, die in der Handschriftensammlung des Gleimhauses erhalten blieben. Durch einen Ankauf von 160 Briefen konnte dieser Briefwechsel, bisher bestehend aus Originalbriefen Benzlers und den Abschriften der Briefe Gleims, erheblich erweitert werden. Bei den erworbenen Briefen handelte es sich um die Originalbriefe Gleims an Benzler. Sie wurden von seinem Enkel als Teil von Benzlers literarischem Nachlass der Klosterschule in Roßleben vermacht und kamen dann 1996 in den Besitz des Gleimhauses.

Meine Arbeit bestand zunächst darin, beide Bestände zusammenzuführen, die insgesamt 183 Briefe chronologisch zu sortieren und zum Teil zu inventarisieren. Auf die formale folgte die inhaltliche Erschließung. Ich begann mit der Transkription der Briefe Benzlers und der Erstellung von Regesten hinsichtlich der in den Briefen behandelten Themen (wie z.B. Krankheit und Tod, Freunde und Familie, finanzielle Schwierigkeiten, Literatur), der genannten Personen und der erwähnten literarischen Werke. Auffällig war bei der Arbeit mit den Handschriften die Veränderung des Schriftbildes und der gesamten Gestaltung der Briefe mit zunehmender Dauer und Vertrautheit der Schreibenden, besonders aber auf Seiten Benzlers. Dieser materiell-ästhetische Aspekt böte Anlass zu einer weiterführenden Untersuchung.

Durch die umfangreichen und teils sehr zeitintensiven Vorarbeiten, kam es noch nicht dazu, den gesamten Briefwechsel über die Verbunddatenbank für Nachlässe und Autographen Kalliope (http://kalliope.staatsbibliothek-berlin.de/   ) öffentlich verfügbar zu machen. Allerdings wurde das Projekt von meiner Kommilitonin Claudia Brandt und Herrn Roberto Stahn, einem Mitarbeiter des Gleimhauses weitergeführt.

Das Praktikum im Gleimhaus bildete in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Erfahrung. Zum einen hat es einen durch das Studium erworbenen theoretischen Hintergrund durch die konkrete Arbeit am historischen Quellenmaterial ergänzend veranschaulicht. Zudem ergeben sich in der Arbeit mit handschriftlichen Zeugnissen neue und andere, im hier untersuchten Fall besonders Fragestellungen, die auf materialsemantische Implikationen der Quellen abzielen.

Die Bedeutung der Freundschafts- und Geselligkeitskultur im 18. Jahrhundert wurde durch meine Arbeit an den Briefen im wahrsten Sinne des Wortes fassbar. Der Briefwechsel der Freunde Benzler und Gleim ist paradigmatisch und verbindet zahlreiche Aspekte meines bisherigen interdisziplinär angelegten Studiums: Bürgertumsforschung (Geschichtswissenschaft), Literatur und Literarische Debatten (Germanistik, Romanistik), aber auch die in den Briefen anklingenden theologischen und philosophischen Diskurse der Zeit.

Neben dem Studium waren mir bei der Arbeit an den Briefen auch Kenntnisse aus meiner Tätigkeit im Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle (http://www.francke-halle.de   ) und ein Handschriftenkurs hilfreich.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den MitarbeiterInnen des Gleimhauses für die hilfsbereite und offene Zusammenarbeit und bei der Direktorin Frau Dr. Pott für ihr nachhaltiges Engagement und die Ermöglichung dieses tieferen Einblicks in die alltägliche Arbeit einer kulturellen Institution, die ihrem Begründer gemäß bis heute einen gewissen „Geist der Freundschaft“ bewahrt hat.

Anne Harnisch

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