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Sabine Wöller: Praktikum an der Zweigbibliothek Europäische Aufklärung im IZEA der MLU Halle-Wittenberg

Im Wintersemester 2012/13 erfuhr ich durch Dr. Frank Grunert von dem Vorhaben, im Oktober 2014 eine internationale Tagung mit dem Titel Natural law as an academic subject 1625−1850: Concepts and traditions im Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA) zu veranstalten, die von einer durch Studierende konzipierten Ausstellung zum Halleschen Naturrecht begleitet werden sollte. Dieses Konzept erschien mir so reizvoll, dass ich mich entschloss, meine Praxisphase des Moduls „Materielle Kultur der Aufklärung“ dieser Aufgabe zu widmen – auch wenn es für mich die Erstberührung mit Themen des Naturrechts bedeutete.

Unter Naturrecht ist ein überpositives Recht zu verstehen, das unabhängig von menschlicher Verfügung Gültigkeit besitzt und als höherwertige normative Ordnung Maßstäbe bietet, anhand derer sich positives Recht legitimieren bzw. limitieren lässt. Die Friedrichs-Universität Halle stellte im 18. und 19. Jahrhundert ein Zentrum naturrechtlicher Lehre dar, dessen Wichtigkeit über die Lehren Christian Thomasius‘ und Christian Wolffs hinausgeht. Der in der Forschung weit verbreitete Fokus auf diese Naturrechtler und ihre Schulen verstellt den Blick auf eigenständige weiterführende Leistungen hallescher Naturrechtsvertreter. Dieser Tendenz galt es entgegenzuwirken und bisher wenig betrachtete hallesche Professoren näher zu fokussieren: ihre Biographien, ihre Lehren und den teils enormen, europaweiten Einfluss, den diese auf Rechtspraxis und politische Entwicklungen ausübten.

Porträt Ernst Ferdinand Kleins

Porträt Ernst Ferdinand Kleins

Porträt Ernst Ferdinand Kleins

Gemeinsam mit drei weiteren interessierten Studierenden erarbeitete ich mir zunächst in einem von Dr. Grunert und Dr. Dominik Recknagel im Sommersemester 2013 geführten Seminar die Grundlagen der naturrechtlichen Diskussionen anhand von Hugo Grotius, Samuel von Pufendorf, Thomasius, Wolff und Immanuel Kant. Dieser Einführung folgte meine eigentliche Praktikumsphase von Ende Mai bis Anfang Oktober. In dieser widmete sich jede_r von uns der intensiven Recherche eines eher unbekannten halleschen Vertreters der Naturrechtslehre, um die Besonderheiten dessen Naturrechtskonzeption im Plenum vor- und zur Diskussion zu stellen. Meine Wahl fiel hier auf Ernst Ferdinand Klein (1743−1810), welcher nicht nur sein Studium an der halleschen Universität absolvierte, sondern auch über viele Umwege und bemerkenswerte Zufälle 1792 den Lehrstuhl seines einstigen Lehrers Daniel Nettelbladt übernahm, nachdem er zuvor mit Johann Heinrich Casimir von Carmer und Carl Gottlieb Svarez in der 1780 berufenen Gesetzeskommission an der Ausarbeitung eines allgemeinen preußischen Gesetzbuches tätig war. An dieser faszinierenden Figur lässt sich eindrücklich zeigen, wie in Halle gelehrtes Naturrecht seine Einwirkung in praktische Gesetzgebung gefunden hat und schließlich als eigenständige Lehre wieder an die hallesche Universität zurückgekehrt ist.

Nebenher bestand meine Aufgabe darin, in den Beständen der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (ULB), dem Stadtarchiv Halle   , der Marienbibliothek   , der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen    und dem Universitätsarchiv Halle geeignete Ausstellungsstücke zu den gewählten Professoren ausfindig zu machen. Als Exponate konnten wir nach intensiver Archivrecherche zeitgenössische Drucke, handschriftliche Briefe, Stiche, Gipsmedaillons sowie originale Universitätsakten ausfindig machen.

Ein druckfrisches Exemplar des Ausstellungskataloges

Ein druckfrisches Exemplar des Ausstellungskataloges

Ein druckfrisches Exemplar des Ausstellungskataloges

Unsere Rechercheergebnisse zu den einzelnen Vertretern hallescher Naturrechtslehre arbeiteten wir schließlich zu wissenschaftlichen Aufsätzen aus, die im Begleit-Katalog zur Ausstellung „Vernunft, du weißt allein, was meine Pflichten sind!“ Naturrechtslehre in Halle publiziert wurden. Mir als Praktikantin wurde neben der Koordinierung der einzelnen Beiträge gemeinsam mit Dr. Recknagel die Ausstellungs-Konzeption und  zudem die Redaktion und Herausgabe des Kataloges sowie eigenverantwortlich dessen Satz anvertraut. Anfang Oktober konnten wir schließlich gemeinsam die ermittelten Ausstellungsstücke in der Bibliothek des IZEA angemessen präsentieren.

Höhepunkt dieser arbeitsintensiven Monate war neben der Ankunft der druckfrischen Ausstellungskataloge die feierliche Eröffnung der Ausstellung am 10. Oktober 2013 inklusive der Präsentation der eigenen Vitrine vor einem internationalen Kreis von NaturrechtsForscher_innen, die ihren ersten Tagungstag mit der Besichtigung unserer Ausstellung abrundeten. Die Präsentation unserer Arbeit  vor diesem fachkundigen Publikum führte uns eindrücklich vor Augen, dass wir unser ambitioniertes Ziel erreicht hatten.

Ein Ausstellungsstück: Originale Bestallungsurkunde Kleins

Ein Ausstellungsstück: Originale Bestallungsurkunde Kleins

Ein Ausstellungsstück: Originale Bestallungsurkunde Kleins

Mein Praktikum ermöglichte mir eigenständiges sowie teamorientiertes Arbeiten in vielfältigen Aufgabenbereichen. Sowohl die Arbeit mit historischem Quellenmaterial, die Überlegungen zur angemessenen Präsentation dieses Materials als auch die zur Formulierung, Herausgabe und Publikation von Forschungsergebnissen nötigen Schritte stellten eine aufschlussreiche Ergänzung zu meinem Studium dar und erweiterten dieses über die Dimension des Seminars oder Hörsaales hinaus.

Neben dem entgegengebrachten Vertrauen und der stets freundlichen Hilfestellung von Seiten Dr. Grunerts und Dr. Recknagels waren mir auch viele durch mein Studium erworbene Fähigkeit bei der Bewältigung der anvertrauten Aufgaben sehr hilfreich: so konnte ich mich zum Beispiel im zum Praxismodul gehörenden Vorbereitungsseminar eingehender theoretisch mit Ausstellungskonzepten auseinandersetzen und im Zuge des Masterstudienangebotes einen Handschriftenlesekurs bei Dr. Ute Pott (Leiterin des Gleimhauses Halberstadt   , das eng mit dem Studiengang kooperiert) absolvieren. Auch die in meinem einstigen Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft erlangten Kenntnisse in Layoutprogrammen waren mir sehr hilfreich.

Für die offene und hilfsbereite Zusammenarbeit und die Ermöglichung dieses Einblicks in die alltägliche Arbeit an unserem Forschungsinstitut möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.

Sabine Wöller

Bilder:

  • oben: Porträt Ernst Ferdinand Kleins, in: Allgemeine Deutsche Bibliothek. Band 114, Kiel: Carl Ernst Bohn, 1793. (ULB Halle: Sign.: ZLS, Mikroficheschrank)
  • Mitte: Exemplar des Ausstellungskataloges „Vernunft, du weißt allein, was meine Pflichten sind!“ Naturrechtslehre in Halle
  • unten: Originale Bestallungsurkunde Kleins mit Unterschrift Johann Christoph von Wöllners (UAH, Rep.3, Nr. 242, fol. 96)

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