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Susanne Stiller: Praktikum an der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz

Ich habe mein Praktikum für den Studiengang Kulturen der Aufklärung von Juli bis September 2015 an der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz    absolviert. Während dieser Zeit hatte ich die Möglichkeit, die sogenannte Forster-Sammlung, eine ethnographische Kollektion aus dem 18. Jahrhundert, aufzuarbeiten und auf dieser Grundlage eine Dauerausstellung zu konzipieren.

Die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz hat den Auftrag, das Gartenreich Dessau-Wörlitz, das seit 2001 Teil des UNESCO Weltkulturerbes ist, zu erhalten und zu pflegen. Dazu zählen neben den zahlreichen Parkanlagen auch die Bauwerke und deren historische Interieurs sowie Kunstsammlungen. Der Wörlitzer Park und sein klassizistisches Schloss wurden ab 1762 im Auftrag von Prinz Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau erbaut und im Lauf der nächsten 40 Jahre kontinuierlich erweitert. Heute umfasst das Garten- reich nicht nur die Wörlitzer Anlagen, sondern auch die Schlösser Luisium und Georgium, den „Waldpark“ und Kühnauer Park sowie die älteren Schlösser Mosigkau und Oranienbaum. Bereits von Beginn an war der Park zugänglich für die Öffentlichkeit und damit nicht nur Rückzugs- und Erholungsort, sondern auch Lehrgarten zur ästhetischen und auch landwirtschaftlich-ökonomischen Bildung.

Schloss Wörlitz (© Kulturstiftung Dessau-Wörlitz)

Schloss Wörlitz (© Kulturstiftung Dessau-Wörlitz)

Schloss Wörlitz (© Kulturstiftung Dessau-Wörlitz)

Zu den bis heute gut erhaltenen Kunstsammlungen zählen z. B. antike Plastiken, Gemälde und Gefäße der englischen Wedgwood-Manufaktur und eine einmalige Glasgemäldesammlung. Hinzukommt eine Sammlung von ethnologischen Objekten, die während der Südseeexpedition von James Cook 1772-1775 durch die beiden mitreisenden Naturforschern Johann und Georg Forster zusammen getragen worden sind.

Zur Provenienz der Forster-Sammlung

Der berühmte englische Seefahrer war 1772 bereits zum zweiten Mal in den Pazifik aufgebrochen, um die bisher noch wenig bekannte Gegend zu erkunden und Handelsbeziehungen aufzubauen.

Zur wissenschaftlichen Erforschung befanden sich neben Vater und Sohn Forster zudem Astronomen und Maler Bord. Sie sollten neue Gebiete kartographieren und zeichnen, die Längengradbestimmung durch exaktere Chronometer verbessern und Tiere und Pflanzen der unbekannten Länder sammeln. Darüber hinaus sammelten die beiden Forsters auch Alltags- gegenstände und religiöse Artefakte der jeweiligen indigenen Kulturen. Diese Objekte brachten sie zurück nach London, wo sie im Oktober 1775 auf das Fürstenpaar aus Anhalt-Dessau trafen. Der Fürst befand sich zu diesem Zeitpunkt auf seiner dritten Englandreise und nutze seinen Aufenthalt, um Kunst und Wissenschaft zu studieren. Dies schloss auch den Besuch bei Adligen und Wissenschaftlern mit ein, wozu auch die Forsters gehörten. Nach diesem geselligen Treffen, erhielt das Fürstenpaar von den Forsters als Geschenk 31 Objekte ihrer mitgebrachten Sammlung und eine Karte. Und auch in den folgenden Jahren wurde der Kontakt durch Briefwechsel aufrechterhalten. Im März 1779 weilte Georg Forster während einer Deutschlandreise für zwei Wochen in Wörlitz. In dieser Zeit hielt er Vorträge über seine Reise und fertigte eine Inventarliste für seine Sammlung an. Diese wurde zunächst im Schloss aufbewahrt, später in den eigens dafür errichteten Südseepavillon verlegt, wo sie für Besucher öffentlich zugänglich war. Dort blieb sie bis 1990 ausgestellt, bis man sich aus konservatorischen Gründen entschloss, die gesamte Sammlung in das Depot zu verlegen. Dies war die Ausgangssituation am Anfang meines Praktikums.

Der Südseepavillon auf dem Eisenhart. ( © ROLAND KRAWULSKY)

Der Südseepavillon auf dem Eisenhart. ( © ROLAND KRAWULSKY)

Der Südseepavillon auf dem Eisenhart. ( © ROLAND KRAWULSKY)

Erschließung und Ausstellung der Forster-Sammlung

Meine Aufgabe war es, die Sammlung für eine künftige neue Ausstellung aufzuarbeiten. Dafür konnte ich zunächst einen Blick in das Magazin werfen und mich so mit den Objekten vertraut machen. Ich konnte sehen in welchem Zustand sich die einzelnen Artefakte befanden und auch mehr oder weniger gelungene Repliken begutachten. Hier ließen sich schon erste Schwierigkeiten für die richtige Lagerung, Haltung und Präsentation für die kommende Ausstellung erkennen. Beispielweise können die textilen Objekte wegen ihrer Beschaffenheit nicht montiert werden ohne das Material zu verformen. Diese besonderen Anforderungen galt es bei der Ausstellungsplanung zu berücksichtigen. Zuvor jedoch setzte ich mich mit dem kompletten Bestand anhand einer Datenbank und der bestehenden Literatur auseinander. Die Wörlitzer Sammlungen sind vollständig online erschlossen, und wurden v.a. in den 1980er Jahren  wissenschaftlich aufgearbeitet.

In einem zweiten Schritt fertigte ich eine Vergleichsanalyse mit anderen Forster-Sammlungen samt dazugehörigen Publikationen an. Nach meinen Recherchen waren neben Wörlitz die wichtigsten Sammlungen im Institut für Völkerkunde in Göttingen und im Pitt Rivers Museum in Oxford aufzufinden. Anhand dieser online Datenbanken konnte ich die Objekte aus Wörlitz mit ähnlichen Objekten der anderen Sammlungen vergleichen, und so neue Informationen zu Herkunft oder Bedeutung hinzugewinnen. Sehr nützlich erwies sich hierbei die Rechercheplattform des Pitt Rivers Museums   , bei der man nicht nur ausführliche Informationen über die einzelnen Objekte finden konnte, sondern auch auf einen Blog zugreifen konnte, der konservatorische Probleme und deren mögliche Lösung aufzeigt. Nach dieser Vergleichsanalyse konnte ich so eine ausführliche Tabelle für die 31 Objekte erstellen, um so alle Informationen und geeignetes museumspädagogisches Material im Überblick zu haben.

Ein aus Federn und Haifischzähnen bestehender Brustschmuck aus Tahiti. (© museum-digital.de/Kulturstiftung DessauWörlitz)

Ein aus Federn und Haifischzähnen bestehender Brustschmuck aus Tahiti. (© museum-digital.de/Kulturstiftung DessauWörlitz)

Anschließend fertigte ich mögliche Ausstellungstexte an, die sich mit den Cookschen Reisen, der Erwerbsgeschichte, den einzelnen Regionen, und den Beziehungen Forster-Wörlitz befassten. Die Herausforderung hierbei war, aus den komplexen Inhalten interessante Aspekte auszuwählen und diese ohne akademisches Vokabular prägnant in kurzen Texten zu erläutern.

Des Weiteren suchte ich nach passendem Bildmaterial für eine künftige Ausstellung. Dafür ist eine genaue Quellenrecherche notwendig, da Bilder zwar online frei verfügbar sind, für die Präsentation in einer Ausstellung jedoch die Bildrechte eingeholt werden müssen. Bei der Wahl geeigneter Bilder war es mir wichtig, nicht nur möglichst authentische Bilder aus dieser Zeit zusammen zu tragen, sondern insbesondere solche, die auf unterschiedliche Südseerezeptionen im damaligen Europa verweisen.

Im Anschluss daran konnte ich nun ein Konzept für eine Ausstellungsarchitektur entwickeln. Diese Exponate sollten künftig in zwei verschiedenen Räumen gezeigt werden: im authentischen Südseepavillon und auch in einem Raum im Obergeschoss des Schlosses. Da der Pavillon nach wie vor konservatorisch schlechte Bedingungen bietet, sollen dort nur Texte und digitales Material gezeigt werden, während die Originale im Schloss ausgestellt werden können. Doch auch hier muss die Ausstellungsarchitektur mit Blick auf die Besucherlenkung an die Gegebenheiten eines konservatorisch sensiblen Raumes angepasst werden. An dieser Stelle jedoch endete mein sechswöchiges Praktikum.

Für mich war diese Zeit eine sehr interessante und bereichernde Erfahrung. Ich konnte eigenständig die Konzeption einer Ausstellung erarbeiten und dadurch mein bisher theoretisches Wissen praktisch umsetzen. Zudem konnte ich durch ausführliche Quellenrecherche meine Fähigkeiten auf diesem Gebiet weiterentwickeln und eine gute Vorarbeit für meine Masterarbeit leisten, in der ich mich mit den Forster-Sammlungen befassen möchte. Ebenso erlangte ich einen Einblick in die tägliche Arbeit einer Kulturstiftung. Dabei war es vor allem spannend zu erfahren, welche Anforderungen bestehen, wenn Forschung- und Vermittlungsarbeit von vornherein ineinander greifen. Die bestandsorientierte Arbeit gestaltete sich dadurch sehr abwechslungsreich und interessant. Für die freundliche Aufnahme und organisatorische wie fachliche Unterstützung seitens der Mitarbeiter der Kulturstiftung möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken, im Besonderen bei Herrn Dr. Pfeifer, sowie auch bei Herrn Quilitzsch , Frau Schlansky und Herrn Dr. Savelsberg.

Susanne Stiller

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