Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Anja Pönisch: Praktikum am Kleist-Museum Frankfurt (Oder)

Mein Praktikum im Rahmen des Praxismoduls zur materiellen Kultur der Aufklärung konnte ich studienbegleitend von Oktober 2022 bis Januar 2023 am Kleist-Museum Frankfurt (Oder) absolvieren. Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit lag hierbei auf der öffentlichkeitswirksamen Darstellung der Sonderausstellung „Kleist romantisch“, welche vom 8. Oktober 2022 bis zum 19. Februar 2023 gezeigt wurde.

Front des Kleist-Museumskomplexes © Kleist-Museum

Front des Kleist-Museumskomplexes © Kleist-Museum

Front des Kleist-Museumskomplexes © Kleist-Museum

Das Kleist-Museum Frankfurt (Oder) ist das weltweit einzige Museum, dass sich mit besonderem Fokus dem Leben und Wirken des Dichters Heinrich von Kleist (1777-1811) widmet. Neben der derzeitigen Dauerausstellung „Rätsel. Kämpfe. Brüche“ (seit 2013) bietet die Einrichtung regelmäßig Sonderausstellungen mit verschiedenen Veranstaltungen an. Ein besonderer Anlass für eine Vielzahl von Veranstaltungen stellen dabei die Kleistfesttage zu Kleists Geburtstag am 18. Oktober dar, in deren Rahmen 2022 auch die Sonderausstellung „Kleist romantisch“ eröffnet wurde. Für die Ausstellung hatten Studierende der Martin-Luther-Universität unterschiedliche Interventionen entwickelt.

Bereits im Frühjahr 2022 konnte ich mich in einem Projektseminar der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in der Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf unter der Leitung von Dr. Christiane Holm und Dr. Barbara Gribnitz mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern Heinrich von Kleist als Dichter der Romantik betrachtet werden kann. Aus den Diskussionen im Plenum ergaben sich Reibungen zwischen dem geläufigen Epochenbild der Romantik und den Texten Kleists. Gerade diese Reibungen und Uneindeutigkeiten waren es, die wir Studierende in Form verschiedener Interventionen in die Sonderausstellung einbringen wollten. Inhaltliche Schwerpunkte waren daher sowohl schauerromantische Elemente, unzuverlässige Erzählinstanzen, verschiedene Arten des Gender-Trouble zwischen Handeln und Aushandeln, als auch das Fragmentarische sowie ästhetische Wahrnehmungskonflikte. Die studentischen Interventionen machten es sich zur Aufgabe, Kleist als „Verrücker“ romantischer Formen, Motive und Stereotype sowohl direkt in der Sonderausstellung als auch in einem Veranstaltungsangebot am 4. November 2022 zu inszenieren. Über meinen Beitrag zu den Interventionen hinaus bestand meine Aufgabe im Rahmen des Praktikums darin, die Sonderausstellung vor allem online zu präsentieren und Aufmerksamkeit für die Ausstellung sowie die studentische Sonderveranstaltung zu generieren. In diesem Zuge erstellte ich auch einen Beitrag für das wissenschaftliche Forum „Gestern | Romantik | Heute“   , welcher der Außendarstellung der Sonderausstellung, des studentischen Projekts und der Veranstaltung diente.

Meine Tätigkeit begann zunächst mit der Erstellung des Online-Auftritts für die von meiner Gruppe entworfene dauerhafte Intervention „Allmähliche Verfertigung der Geräusche beim Lesen“. Das Konzept wurde angelehnt an Kleists Idee des Drauflos-Redens als Technik zum Zusammenfügen loser Gedankengänge zu einem Ganzen. Im Anschluss an unsere eigenen Lektüreerfahrungen war uns daran gelegen, dass die Besuchenden angehalten wurden, sich selbst zu fragen, wie sich das Spiel mit den Nebentönen und Hintergrundgeräuschen in den Assoziationen gestaltet, die beim Lesen hervorgerufen werden. Die Besuchenden konnten hier selbst an der Ausstellung partizipieren, indem sie zu Hause oder unterwegs Geräusche aufnahmen, welche sie mittels eines QR-Codes in eine durch das Museum bereitgestellte Cloud einspeisen konnten. Die eingespeisten Geräusche sind schließlich in einer durch einen Bewegungsmelder ausgelösten Installation in einer Tonschleife im Foyer des Kleist-Museums zu hören gewesen. Es entstand dadurch ein interaktives Moment, bei dem der Eintritt ins Museum mit einer akustisch-assoziativen Annäherung an Kleist verbunden wurde. Um die Einspeisung der Geräusche gewährleisten zu können, war jedoch neben dem Hinweis im Foyer selbst auch ein Online-Auftritt notwendig, der den Zugang zur Intervention mobil bzw. von zu Hause aus ermöglichte. Die Erstellung einer passenden Seite auf der Homepage des Kleist-Museums war darum meine erste Aufgabe im Praktikum.

Ton-Installation im Foyer des Kleist Museums © Christiane Holm

Ton-Installation im Foyer des Kleist Museums © Christiane Holm

Ton-Installation im Foyer des Kleist Museums © Christiane Holm

Die online-Präsenz des Kleist-Museums ist von großer Bedeutung, obwohl ein Großteil der Besuchenden aus Frankfurt (Oder) und Umgebung kommt. Denn gerade in Anbetracht der Singularität der Einrichtung als weltweit einziges Museum, das sich dezidiert mit Heinrich von Kleist beschäftigt, wäre die internationale Rezeption der Ausstellungen wünschenswert. Mein Ausgangspunkt im Praktikum war daher die Frage, welche Möglichkeiten sich durch Öffentlichkeitsarbeit und online-Präsenz bieten, neue Besuchsgruppen anzusprechen. Vor dem Hintergrund meines Bachelorstudiums der Anglistik/Amerikanistik sowie der Germanistik war mir persönlich besonders an der anglophonen Vermittlung der in der Ausstellung betrachteten Phänomene der deutschsprachigen Literatur und Kultur der Romantik gelegen. Aus diesem Grund erarbeitete ich die Seite zur Ton-Installation nicht nur in deutscher, sondern auch in englischer Sprache. Ein englischsprachiges Angebot erstellte ich außerdem begleitend zu den punktuellen studentischen Interventionen am 04. November 2022. Diese standen unter dem Thema „romantische Zweisamkeiten“ und setzten sich in 5-minütigen „Rendezvous“ (Kurzvorträgen mit szenischen Elementen) mit verschiedenen Aspekten von romantischem Zusammen-Sein auseinander: mit Geschlechterrollen, Freundschaftsidealen und doppelten/gespaltenen Figuren. Da diese Rendezvous ausschließlich auf Deutsch präsentiert wurden, erstellte ich englische Tonspuren, welche über ein Tablet mit Kopfhörern entweder parallel oder außerhalb des angebotenen Rundgangs durch die Ausstellung gehört werden konnten: Images and Dynamics of Gender zum Käthchen-Tryptichon von Wilhelm Nerenz, Relationships on Paper zur Briefstation und Me, myself and I zu Amphitryon im Romantik-Hotel.

Die englischsprachige Ergänzung zu dem deutschsprachigen Angebot konnte ich teilweise in meinen Beiträgen zur Öffentlichkeitsarbeit einbringen. Für die Veranstaltung im November entwarf ich Veranstaltungs-Teaser in deutscher und englischer Sprache zur Veröffentlichung in den lokalen Kommunikationskanälen. Dabei gelang es mir, einen Kontakt zur kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) herzustellen. Es freut mich besonders, dass Studierende der Viadrina dieser Einladung folgten, deren Erstsprache nicht Deutsch ist. Im Gespräch mit den Studierenden konnte während der Veranstaltung ein Kommunikationskanal gefestigt werden, der die erweiterte Stadtgesellschaft mit dem Museum verknüpft und in zukünftigen Projekten von Universität und Kultureinrichtung genutzt werden kann.

Online-Präsenz der 5-minütigen Rendezvous zur „romantischen 
Zweisamkeit“ mit Szenenbild vor dem Tryptichon von Wilhelm 
Nerenz: Das Käthchen von Heilbronn (1836) © Kleist-Museum

Online-Präsenz der 5-minütigen Rendezvous zur „romantischen Zweisamkeit“ mit Szenenbild vor dem Tryptichon von Wilhelm Nerenz: Das Käthchen von Heilbronn (1836) © Kleist-Museum

Online-Präsenz der 5-minütigen Rendezvous zur „romantischen
Zweisamkeit“ mit Szenenbild vor dem Tryptichon von Wilhelm
Nerenz: Das Käthchen von Heilbronn (1836) © Kleist-Museum

Die Herausforderung in der Öffentlichkeitsarbeit in meinem Praktikum bestand darin, dass die Umsetzung der punktuellen Interventionskonzepte noch nicht abgeschlossen war und  die englischsprachige Audio-Fassung nahezu parallel zum Entstehen der deutschsprachigen Präsentationen erfolgen musste. Andererseits bot sich hier und auch angesichts der Umstrukturierung in der Öffentlichkeitsarbeit des Kleist-Museums zum Zeitpunkt meines Praktikums viel Raum zur Erprobung neuer Formen der öffentlichkeitswirksamen Präsentation von Inhalten der Sonderausstellung. Auch wenn die von mir erarbeiteten Inhalte nur teilweise in die Online-Präsenz des Museums eingebunden werden konnten, konnte ich hier einen wichtigen Einblick in die Organisationsformen gewinnen. Durch das von meiner Gruppe verantwortete und von mir online fortgesetzte Konzept der Ton-Installation gewann ich außerdem einen Einblick in Potenzial und Umsetzungsmöglichkeiten von nicht-semantischen Zugängen zu Literatur durch z.B. Lautmalerei und rhythmische Elemente. In der Vermittlung von Phänomenen der deutschsprachigen Literatur in englischer Sprache hat sich für mich der Wert und die Herausforderungen in der Übersetzung abstrakter Konzepte und Kulturpraktiken offenbart. Hier hat sich außerdem die Bedeutung des Standorts für die Auswahl der verfügbaren Vermittlungssprachen gezeigt, denn Frankfurts Lage direkt an der polnischen Grenze sowie seine internationale Universität bieten viele Möglichkeiten zur sprachübergreifenden Literaturvermittlung.

Insgesamt habe ich durch das Praktikum eine pragmatischere Perspektive auf den Bereich der Kulturvermittlung gewinnen können. Zugleich hat es mir Spaß gemacht, am Entstehungsprozess von verschiedenen Aspekten einer Ausstellung mitzuwirken und dabei nicht nur mit literaturwissenschaftlichem Blick an das Werk eines Dichters heranzutreten, sondern auch dessen Ausstellbarkeit und Vermittelbarkeit an eine breitere Öffentlichkeit zu bedenken. Ich hoffe, nach meinem Praktikum auch an künftigen Projekten zu Literaturausstellungen teilnehmen zu können, in denen ich mich gerne intensiver mit bereits existierenden Partizipationskonzepten und der Einbindung moderner Medienformate auseinandersetzen möchte.

Für die Chancen der konzeptionellen und praktischen Mitarbeit an der Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit bedanke ich mich herzlich bei Dr. Barbara Gribnitz, die mir während meines Praktikums als Betreuerin zur Seite stand. Mein Dank gilt außerdem dem Kleist-Museum Frankfurt (Oder) und Vanessa Jasmin Lemke, der Leiterin der Presseabteilung.

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