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Ida Karste: Praktikum an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

Mein fünfwöchiges Projektpraktikum im Rahmen des Studiums absolvierte ich von September bis Oktober 2021 an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Glücklicherweise konnte ich das Praktikum vor Ort durchführen, da zu diesem Zeitpunkt die Corona-Regelungen gelockert waren.

Die Herzog August Bibliothek    (HAB) ist eine Forschungsbibliothek im Osten Niedersachsens, die auf einer Sammlung von Manuskripten und Büchern Herzog August des Jüngeren von Braunschweig-Lüneburg, und vielen weiteren Sammlungsbeständen aus der Frühen Neuzeit, begründet ist.

Die Bibliotheca Augusta – Das Hauptgebäude der Herzog August Bibliothek

Die Bibliotheca Augusta – Das Hauptgebäude der Herzog August Bibliothek

Die Bibliotheca Augusta – Das Hauptgebäude der Herzog August Bibliothek

Der Schwerpunkt der Bibliothek liegt daher auf der kulturgeschichtlichen Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, die sie sowohl durch die Verfügbarkeit von Originalquellen, als auch durch die Bereitstellung von aktueller Forschungsliteratur unterstützt. Die HAB verfügt über 160 Mitarbeiter*innen und eine interdisziplinär aufgestellte Forschungsabteilung.

Mein Praktikum begann mit einer einwöchigen Einführung durch die wissenschaftliche Bibliothekarin Dr. Sandra Simon, die mir die Organisationsstruktur und die Tätigkeitsfelder einer Forschungsbibliothek näherbrachte und mich außerdem über Berufsmöglichkeiten als Geisteswissenschaftlerin aufklärte. Ab der zweiten Woche bis zum Ende meines Praktikums wurde ich von Dr. Joëlle Weis betreut, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin das Projekt Weltwissen. Das kosmopolitische Sammlungsinteresse des frühneuzeitlichen Adels    leitete. Im Rahmen meiner Bewerbung hatte ich das Projekt als Einsatzfeld ausgewählt, da ich ein großes Interesse an der Wissensgeschichte der Aufklärung, den dazugehörigen Praktiken des Sammelns sowie Büchern als mediale Träger von Wissen entwickelt hatte.

Während meiner Anbindung an das Projekt Weltwissen konnte ich nicht nur einen Einblick in die Forschungsarbeit von Dr. Weis und dem wissenschaftlichen Bibliothekar des Projekts, Dr. Stephan Bialas-Pophanken, bekommen. Da das Projekt Teil des Forschungsverbundes Weimar-Marbach-Wolfenbüttel    (MWW) ist, hatte ich außerdem die Möglichkeit, viele weitere Projekte und Mitarbeiter*innen der beteiligten Einrichtungen in virtuellen Treffen oder vor Ort in der Forschungsabteilung kennen zu lernen. Dazu zählte beispielweise die Zeitschrift für Digitale Geisteswissenschaften    (ZfDG), das Projekt Plattform for Open Access Publication    (POP) oder auch die Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts    (DGEJ).

Ich bemerkte, dass die Forschungsaktivitäten von MWW durch Methoden und Praktiken der Digital Humanities (DH) charakterisiert sind. Da ich in meinem Studium bisher kaum Berührungspunkte mit DH hatte, wollte ich diesen Ansatz ins Zentrum meines Praktikumsprojekts rücken.

Als besonders anregend erwies sich hierfür ein Workshop im Rahmen des virtuellen Jahrestreffens des Verbands Digital Humanities im deutschsprachigen Raum       (DHd). Hier präsentierte Dr. Weis die Ergebnisse eines Testlaufs mit dem Tool Geovistory   , einer Software, in welcher Karten mit historischen Daten erstellt werden können. Die Besonderheit des Programms ist die benutzerfreundliche Oberfläche, die es auch unerfahrenen Nutzer*innen ermöglicht, ein DH-gestütztes Projekt umzusetzen. In diesem Kontext entstand die Idee, mein Praktikumsprojekt ebenfalls mit Geovistory umzusetzen. Da ich kurz zuvor eine Hausarbeit über Zeitschriften des 18. Jahrhunderts geschrieben hatte, wollte ich gerne dieses Thema als Ausgangspunkt nutzen.

Meine Forschungsfrage entwickelte ich in Anknüpfung an einen Aufsatz der französischen Geschichtssoziologin Anne Saada: Gab es im 18. Jahrhundert in Deutschland eine Korrelation zwischen den Publikationsstandorten von Zeitschriften und den Standorten von Universitäten? Um dieser Fragestellung nachzugehen, musste ich zwei Entitäten in das Programm einfügen, die Standorte der Universitäten sowie die Verlags- und Publikationsstandorte von Zeitschriften im 18. Jahrhundert. Die Zeitschriften dieses Zeitraums eigneten sich für ein solches Projekt, denn sie sind zum einen mit vielen Metadaten versehen, andererseits sind diese Daten durch die Verzeichnung in Zeitschriftendatenbanken und Bibliothekskatalogen leicht zugänglich.

Die Bearbeitung des Projektes bereitete mir viel Freude, da ich nach den vielen theoretischen Kontakten mit Digital Humanities an der HAB erstmals selbst einen Einblick in diese Arbeit erhielt. Bei Fragen und Problemen konnte ich mich immer auf die Expertise von Dr. Weis stützen. Ich fand schnell heraus, dass ein großes Problem darin besteht, verlässliche und zugängliche Daten zu bekommen. Bei der Frage, welche Universitäten im 18. Jahrhundert existierten, wurde diese Sammlung von Daten durch die Umbenennungen, Zusammenlegungen und Schließungen der Universitäten erschwert. Es tauchten weitere Fragen auf wie zum Beispiel, ob auch Kunsthochschulen einzubeziehen sind. Im Bereich der Zeitschriften beschränkte ich mich entsprechend Saadas Studie auf den Bereich der Gelehrten Zeitschriften. Um zu wissen, welche Daten ich in das Projekt einspeisen muss, brauchte ich klar abgegrenzte Begriffsdefinitionen. Diese sind in ‚klassischen‘ geisteswissenschaftlichen Arbeiten aufgrund der Komplexität jedoch selten vorhanden. Die Herausforderung, solche operativ belastbaren Begriffe zu entwickeln, spornte mich weiter an. Weitere Punkte, die mich bei der Bearbeitung motivierten, waren die Zielvorstellung einer interpretierbaren Darstellung, das Aufdecken neuer Forschungsfragen sowie die mögliche Weiternutzung für andere Projekte. Ein Problem, auf das ich, neben den abgrenzbaren Begriffsdefinitionen, im Laufe des Projekts stieß, war die umfangreiche Dateneingabe.

Datensätze die mit dem Standort Halle (Saale) verbunden sind im Programm Geovistory

Datensätze die mit dem Standort Halle (Saale) verbunden sind im Programm Geovistory

Datensätze die mit dem Standort Halle (Saale) verbunden sind im Programm Geovistory

Um eine aussagekräftige Antwort auf meine Fragestellung zu bekommen, musste ich viele Daten in das Programm eingeben. Diese Eingabe kann viel Zeit in Anspruch nehmen und ist auch nicht final abschließbar, denn eine größere Menge an Daten erhöht stetig die Aussagekraft der Antwort. Außerdem stieß ich bald an die Grenzen des Programms. Ich realisierte, dass es sehr wichtig ist, sich vor dem Beginn eines Projekts genau zu überlegen, ob das verfügbare Programm geeignet ist, die Fragestellung zu beantworten. Als am Ende meines Projekts Schwierigkeiten aufkamen, die Karte mit den Zeitschriftenstandorten und die Karte mit den Universitätsstandorten übereinander zu legen, half mir Dr. Weis die Daten in das Programm Palladio    zu transferieren. Ich fand innerhalb meiner Stichprobe heraus, dass Städte mit vielen Gelehrten Zeitschriften keine Universität hatten und in vielen Universitätsstandorten keine Gelehrten Zeitschriften verlegt wurden.

Ergebnis der Untersuchung im Programm Palladio

Ergebnis der Untersuchung im Programm Palladio

Ergebnis der Untersuchung im Programm Palladio

Ich bin sehr dankbar, die Möglichkeit bekommen zu haben, mein Praktikum an der Herzog August Bibliothek zu absolvieren. Vor allem durch meine Teilnahme an den Veranstaltungen der HAB vor Ort, das persönliche Kennenlernen von Mitarbeiter*innen an der HAB und von MWW sowie den Einblick in die abwechslungsreiche Arbeit als Wissenschaftlerin an einer großen Forschungsbibliothek mit einer außeruniversitären Forschungseinrichtung habe ich viele inhaltliche und methodische Fähigkeiten kennengelernt, die mein Studium im Nachgang bereichert haben. So besuchte ich beispielsweise im folgenden Semester eine Vorlesung in der Informatik über Digital Humanities in den Geisteswissenschaften.

Ich möchte mich hiermit noch einmal sehr herzlich bei Dr. Joëlle Weis und Dr. Sandra Simon für die sehr gute Betreuung im Rahmen meines Praktikums bedanken.

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