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Waldeinsamkeit

Hören Sie    Emely Brückner und Lea Hochschild über Waldeinsamkeit

Friedrich Gottlieb Klopstock: Mein Wäldchen

An den Grafen und die Gräfin Holck.

Eure Beschattung kühlt schon lang, des lieben
Wäldchens Eichen, ich habe nicht die Wurzel
Dieser hohen Wipfel gesenkt, ihr wuchset
Früher als ich, seid

Jünglinge gleichwohl noch, erhebt höher
Einst die Häupter, und streckt, wenn sich der Tag neigt,
Längere Schatten. Grünet denn, überlebt; ich
Neid’ euch nicht, Eichen.

Will mit Gespielen euch, mit Tränenweiden,
Rings umpflanzen, dass einst, wenn nun die Sonne
Sinkt, in eurer Kühle, durchhaucht von Abend -
Lüften, ihr Laub sich

Leise bewege, dann der Liebling sage
Zu dem Mädchen: »Sie weint ja nicht, sie säuselt,
Lallt Musik; wie fabelte von der schönen
Weide der Vorfahr!«

Wenn von dem Sturm nicht mehr die Eich’ hier rauschet,
Keine Lispel mehr wehn von dieser Weide:
Dann sind Lieder noch, die von Herzen kamen,
Gingen zu Herzen.


Friedrich Gottlieb Klopstock: Mein Wäldchen (1778). In: Ders.: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. I: Oden, hg. v. Horst Gronemeyer u.a., Berlin/New York 2010, S.365.

Die Orthographie wurde behutsam der heutigen Schreibweise angepasst.

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