Wasserschlacht

Friedrich Gottlieb Klopstock: Der Wein, und das Wasser
Weißt du auch, Gleim noch, wie, o undurstigster
Von allen Sängern, denen des Weines Lob
Sein Geist, und ihrer eingab, wie wir,
Ruhend auf Rosen, und Schmidt uns freuten?
Im kleinen Garten blühten nur sie; und bald
Stand auf dem Marmor blinkend der alte Rhein!
Dem Wirt ein Wink; und alle Büsche
Wurden gepflückt, und der ganze Saal ward
Zu Röte, ward durchströmet von süßem Duft:
Aus Rosen ragte halb nur die Flasch' hervor,
Und kaum der Becher. Wag' es, Gleim, nicht
Mir zu erzählen, wie froh wir sprachen!
Wie hell das Lied scholl! Weste verwehn, und selbst
Die Silberquell' ist eh wohl versiegt. Was ging
Uns dieses an? Wenn sie auch wollte,
Konnte denn schweigen der Freuden frohste?
Drei waren unser, und der kristallenen
Gebäude zwei nur, eins nicht die Hälfte leer:
Und dennoch wallten wir, da hoch schon
Strahlte die Sonne, den späten Heimweg
Mit jenem Sönnchen, welchem der Biene Kunst
Den Docht beseelet, welches dem Büchersaal
Sonst nur die Nacht entscheucht, wenn Grübler
Endlich die durstige Feder tränken.
Bekränzt das Haupt mir, Blüten des Rebenhains:
Ich trug die Kerze! Aber ach schnell erlosch
Die kleine Sonne! Welk', o Reben
Blüte, nur weg; denn ich blies das Licht aus.
Weißt du auch, Gleim, noch, wie in den Kühlungen
Des hohen Ahorns, und in der Grotte Bach ...
O glückte mir's, dass ich des Wassers
Loh zu dem Lobe des Weines stimmte.
Am Bache saßen wir in den Frischungen
Des Schattens. Wenig wurde der scheue Fuß
Zuerst gesenkt, bald ganz vertiefet,
Nun auch das Knie, und gewandert ward dann
Selbst in des Felsen Wölbung! Gehöhlet war
Die eingetauchte Hand, o wie schöpften wir!
Aus unsrer tiefen, vollen Urne
Rieselt' es nicht in des Freundes Locken.
Des Dorfes Mädchen brachten den Ährenkranz,
Durchschimmert von der Bläue der lieblichen
Kornblume. »Gebet, gebt! doch schmucker
Wäret ihr uns, wenn ihr Eimer brächtet!«
Schnell standen vor uns nicht danaïdische,
Geraume Eimer. Freude! die Wasserschlacht
Begann! Geschehn sind Taten, derer
Jetzo noch Meldung des Pflügers Mund tut.
Da galt es Stärke, Kunst: Wer am weitesten,
Im höchsten Bogen träfe des Auges Stern!
Fehlgüsse lachten wir, der Hofhund
Bellte sie, krähte der Henne Mann aus.
Hoch auf dem Hügel stand bei der Kirche Turm
Der feiste Küster, äugelte keck nach uns
Durch's lange Rohr. Mit vollen Eimern
Schritten wir hin; doch er war entronnen.
Friedrich Gottlieb Klopstock: Der Wein, und das Wasser (1796). In: Ders.: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. I: Oden, hg. v. Horst Gronemeyer u.a., Berlin/New York 2010, S.544f.
Die Orthographie wurde behutsam der heutigen Schreibweise angepasst.