Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Revolution

Friedrich Gottlieb Klopstock: Die Etats généraux:

Der kühne Reichstag Galliens dämmert schon,
Die Morgenschauer dringen den Wartenden
Durch Mark und Bein: o komm, du neue,
Labende, selbst nicht geträumte Sonne!

Gesegnet sei mir du, das mein Haupt bedeckt,
Mein graues Haar, die Kraft, die nach sechzigen
Fortdauert; denn sie wars, so weit hin
Brachte sie mich, daß ich dies erlebte!

Verzeiht, o Franken (Name der Brüder ist
Der edle Name), daß ich den Deutschen einst
Zurufte, das zu fliehn, warum ich
Ihnen itzt flehe, euch nachzuahmen.

Die größte Handlung dieses Jahrhunderts sei,
So dacht' ich sonst, wie Herkules Friederich
Die Keule führte, von Europas
Herrschern bekämpft, und den Herrscherinnen!

So denk ich jetzt nicht. Gallien krönet sich
Mit einem Bürgerkranze, wie keiner war!
Der glänzet heller und verdient es!
Schöner, als Lorbeer, die Blut entschimmert.


Friedrich Gottlieb Klopstock: Die Etats généraux (1788). In: Ders.: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. I: Oden, hg. v. Horst Gronemeyer u.a., Berlin/New York 2010, S.455.

Die Orthographie wurde behutsam der heutigen Schreibweise angepasst.

Friedrich Gottlieb Klopstock: Mein Irrtum

Lange hatt' ich auf sie forschend geschaut,
Auf die Redenden nicht; die Täter! war,
Bei den Malen der Geschichte
Wandelnd, den Franken gefolgt.

Die an Völkern du rächst, Königen rächst,
Priestern, die Menschheit, wie wars, Geschichte, voll
Von Gemälden, die der Gute,
Bleich vor Entsetzen erblickt.

Dennoch glaubt' ich, und ach Wonne war mir,
Morgenrötlicher Glanz der goldne Traum!
War ein Zauber, wie gehoffter
Liebe, dem trunkenen Geist!

Freiheit, Mutter des Heils, deucht' es mich, du
Würdest Schöpferin sein, die Glücklichen,
Die so ganz du dir erkorest,
Umzuschaffen gesandt!

Bist du nicht Schöpferin mehr? oder sind sie
Nicht umschaffbar, die du entfesseltest?
Ist ihr Herz Fels, und ihr Auge
Nacht, zu sehn, wer du bist?

Deine Seel' ist Gesetz! Aber ihr Blick
Wird des Falken, ihr Herz wird Feuerstrom;
Ha, er funkelt, und es glühet,
Wenn das Ungesetz winkt.

Dieses kennen sie, dich kennen sie nicht,
Das, das lieben sie! Doch dein Name tönt.
Wenn die Guten das verruchte
Schwert trifft: schallt es von dir.

Freiheit, Mutter des Heils, nannten sie dich
Nicht selbst da noch, als nun Eroberungskrieg,
Mit dem Bruche des gegebnen
Edlen Wortes, begann?

Ach des goldenen Traums Wonn' ist dahin,
Mich umschwebet nicht mehr sein Morgenglanz,
Und ein Kummer, wie verschmähter
Liebe, kümmert mein Herz.

Müde labet auch wohl Schatten am Weg'
In der Öde, der weit umher sich krümmt;
So hat jüngst mich die erhabne
Männin, Corday gelabt.

Richter schändeten sich, sprachen es los,
's Ungeheuer: sie sprach nicht los und tat,
Was mit Glut einst auf der Wange,
Tränen, der Enkel erzählt.


Friedrich Gottlieb Klopstock: Mein Irrtum (1793). In: Ders.: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. I: Oden, hg. v. Horst Gronemeyer u.a., Berlin/New York 2010, S.486f.

Die Orthographie wurde behutsam der heutigen Schreibweise angepasst.

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