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Irina Svenja Schuchardt: Praktikum im Studienzentrum der Franckeschen Stiftungen Halle

Mein Praktikum habe ich im Februar 2015 im Archiv des Studienzentrums August Hermann Francke der Franckeschen Stiftungen    absolviert und mich dabei vor allem mit dem Erschließen und Erfassen von Urkunden aus dem 18. Jahrhundert beschäftigt.

Das Studienzentrum ist eine Einrichtung, die sich aus Archiv und Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zusammensetzt. Seine Hauptaufgabe ist das Erschließen und Erforschen der Bestände, was zum Teil durch Drittmittelprojekte mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft geschieht. Der Großteil der Archivalien stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der Blütezeit des halleschen Pietismus. Das Archiv selbst wird unterteilt in das Hauptarchiv (AFSt/H), das Missionsarchiv (AFSt/M), das Schularchiv (AFSt/S), das Planarchiv (AFSt/A), das Palmblatthandschriftenarchiv (AFSt/P), das Bildarchiv (AFSt/B), das Pressearchiv (AFSt/Z), die Nachlässe (AFSt/N) und Deposita und das Wirtschafts- und Verwaltungsarchiv (AFSt/W). Aktuell umfasst der Archivbestand 600 laufende Meter Akten und Handschriften, 3.300 Pläne, 270 Palmblatthandschriften, 19.500 Bilder, 10.200 Zeitungsausschnitte und 550 Plakate.

Wichtig für meine Aufgabe während des Praktikums war das Wirtschafts- und Verwaltungsarchiv. Es enthält interne Akten und Dokumente, die von Beginn an aus Gründen der Rechtssicherung aufbewahrt wurden, und heute als Quellenmaterial zur Erforschung der Organisationsstruktur der Franckeschen Stiftungen im Wandel der Jahrhunderte dienen.

Ein Teil der Urkunden, mit denen ich mich während des Praktikums beschäftigt habe, beinhalteten die Verleihung von „Mannlehen“, d. h. es wurde über die Verteilung von Landbesitztümer entschieden, die einem Mann auf Lebenszeit geliehen wurden und nach dessen Tod an seine Erben weitergeben werden konnten. Darunter waren Lehnbriefe der Schwarzburger und Stolberger Herrschaften sowie auch einige von Friedrich Wilhelm I.

Lehnbrief von Friedrich Wilhelm I. an Adam August Glasern, Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Lehnbrief von Friedrich Wilhelm I. an Adam August Glasern, Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Lehnbrief von Friedrich Wilhelm I. an Adam August Glasern, Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Meistens wurden diese an Personen verliehen, die mit den Glauchaschen Anstalten in Verbindung standen, wie z. B. August Hermann Francke (1663-1727) oder auch Johann Georg Knapp (1705-1771).

Bei dem anderen Teil der Urkunden handelte es sich um Privilegien für den Druck verschiedener Bücher für den Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Aussteller dieser Druckprivilegien waren u. a. Friedrich August I. und Karl VI., die z. B. Philipp Jakob Speners „Theologische Bedenken“ (1701), Johann Heinrich Michaelis „Biblia Hebraica“ (1720), Joachim Langes „Lateinische Grammatica“ (1707) oder auch Werke von Samuel Stryck privilegierten. Die Privilegien hatten meist eine Gültigkeit von zehn Jahren ab dem Datum der Ausstellung.

Zur Erschließung der Urkunden war eine formale und inhaltliche Erfassung notwendig und die entsprechenden Informationen musste ich in dem Programm „FAUST“, der Datenbank, die im Studienzentrum zum Einsatz kommt, eingeben. Folgende inhaltlichen und formalen Daten wurden benötigt:

Daten zur Titelaufnahme:

  • Bestand,
  • Bestandsgliederung,
  • Signatur,
  • Titel,
  • Inhalt,
  • Sprache,
  • Material,
  • Maße,
  • Siegel,
  • Art des Dokuments,
  • Form der Handschrift (Oroginal oder Abschrift),
  • Ausstellungsort der Handschrift sowie
  • Laufzeit/ Datierung/ Jahr.
Schwarzburger Wachssiegel, Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Schwarzburger Wachssiegel, Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Schwarzburger Wachssiegel, Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Daten zur Sacherschließung Personen/Institutionen/Übrige:

  • Verfasser,
  • Adressat,
  • Betroffener,
  • sonstige Erwähnte,
  • Urheber,
  • Unterzeichner,
  • Institution: Betroffene/ Provenienz/ Sonstige,
  • Geografika sowie
  • Sachbegriffe.

Für die erforderten Angaben von Personen, Orten und Sachbegriffen mussten des Öfteren zeitaufwendigere Recherchen durchgeführt werden, um die Lebens- und Wirkungsdaten, den Ort oder die Bedeutung eines bestimmten Begriffs zu finden. Dadurch lernte ich insbesondere zwei Recherchemöglichkeiten kennen: die Gemeinsame Normdatei (GND), in der neben Schlagwörtern auch Personen normiert angesetzt werden, und das Lexikon von Johann Heinrich Zedler (1706-1751), welches dann herangezogen werden musste, wenn in der GND keine ausreichenden Informationen zu Personen, Orten und Begriffen gefunden werden konnten.

Durch einen Handschriftenkurs bei Dr. Ute Pott, der Direktorin des Gleimhauses in Halberstadt, war mir das Lesen von Handschriften nicht fremd und durch viele sich wiederholende Formulierungen bei den Mannlehen wie auch bei den Druckprivilegien war die inhaltliche Erschließung mit der Zeit recht unproblematisch, auch wenn einige der Druckprivilegien auf Latein verfasst waren. Das Verstehen dieser Urkunden erforderte jedoch einiges Wissen über die Rechtsgeschichte und daran angrenzende Disziplinen, was im Studium zwar tangiert wird, aber in dieser Tiefe nicht zur Anwendung kommt.

Druckprivileg von Karl VI. für Samuel Strycks "De cautelis testamentorum", Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Druckprivileg von Karl VI. für Samuel Strycks "De cautelis testamentorum", Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Druckprivileg von Karl VI. für Samuel Strycks "De cautelis testamentorum", Halle: Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Im Zuge dieses Praktikums konnte ich somit neben der Anwendung des Handschriftenlesens auch meine Kenntnisse über Recherchemöglichkeiten von Personen, Orten und Sachbegriffen erweitern sowie die Franckeschen Stiftungen und das Studienzentrum August Hermann Francke besser kennenlernen. Außerdem war der Kontakt mit den Originalen eine sehr interessante Erfahrung, zeigte die Verbindung von verschiedenen Disziplinen um die Rechtsgeschichte herum und erforderte interdisziplinäres Arbeiten.

Abschließend möchte ich mich noch insbesondere bei meiner Betreuerin Carmela Keller für ihre Hilfsbereitschaft und Beratung bedanken. Ebenso bei den Mitarbeitern des Studienzentrums und der Leiterin Frau Dr. Klosterberg für die freundlichen Aufnahme und die Ermöglichung dieses Praktikums.

Irina Svenja Schuchardt

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