Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Laurenz Balzarek: Praktikum am Klopstockhaus Quedlinburg

Im Zeitraum von Mai bis August 2018 absolvierte ich im Rahmen des Praxismoduls ein dreimonatiges Praktikum am Klopstockhaus in der Welterbestadt Quedlinburg   , das durch den Klopstock e.V.    betreut wurde. Dabei war ich in die Konzeption und Umsetzung der Neuakzentuierung der derzeitigen Dauerausstellung eingebunden. Unter dem Titel „Wie der Körper zur Sprache kommt – Klopstock, Erxleben und GutsMuths im papiernen Zeitalter“ wurde die Ausstellung am 31. März eröffnet. Sie richtet ihren Fokus auf den Dichter und Namensgeber des Hauses Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803), auf die erste promovierte Ärztin Deutschlands Dorothea Christiane Erxleben (1715-1762) und den Begründer der modernen Sportpädagogik Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839). Im Mittelpunkt der Neuakzentuierung steht die Beschäftigung dieser drei Personen mit dem Thema „Körper“ in Früh-, Hoch- und Spätaufklärung und deren jeweils literarischer, medizinischer bzw. sportdidaktischer Zugang.

Das Klopstockhaus mit der neugestalteten Außenfassade von 2019. Gestaltung: Marlene Milla Woschni und Signa Grafik Design Quedlinburg. Foto: Laurenz Balzarek

Das Klopstockhaus mit der neugestalteten Außenfassade von 2019. Gestaltung: Marlene Milla Woschni und Signa Grafik Design Quedlinburg. Foto: Laurenz Balzarek

Das Klopstockhaus mit der neugestalteten Außenfassade von 2019. Gestaltung: Marlene Milla Woschni und Signa Grafik Design Quedlinburg. Foto: Laurenz Balzarek

Das Klopstockhaus

Das Quedlinburger Klopstockhaus am Schlossberg 12, welches heutzutage als „biographisch-literarhistorisches Museum“ und Architekturdenkmal zu den Städtischen Museen Quedlinburgs    zählt, erinnert seit dem 175. Geburtstages des Namensgebers (1899)   vermittels einer umfangreichen Sammlung und Ausstellungsfläche im  ersten  Obergeschoss an das Schaffen und Wirken des 'ersten Popstars der   deutschen Literatur': Friedrich Gottlieb Klopstock. Nachdem 2010 die   derzeit letzte wissenschaftliche Mitarbeiterin Brigitte Meixner in den   Ruhestand verabschiedet wurde, erfuhr das Klopstockhaus keine   museumspädagogische Betreuung mehr. Daher wurde im Winter 2016 unter  der  Leitung von Brigitte Meixner vom Klopstock e.V. Quedlinburg und Dr. Christiane Holm vom Germanistischen Institut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg das innovative studentische Vermittlungsformat „Klopstock in 7 Minuten“   entwickelt, dessen Konzeption und Umsetzung ich bereits mitgestaltet   hatte. Zum Quedlinburger Advent in den Höfen    erstmalig einem öffentlichen Publikum erfolgreich präsentiert, wird das Klopstockhaus durch mittlerweile acht pointierte, siebenminütige Themenblöcke zum Leben und Wirken Klopstocks bespielt. Aufgrund des anhaltenden Erfolges des neuen Formats (u.a.   Advent in den Höfen, Tag des offenen Denkmals, Internationaler   Museumstag, Internationaler Tag der Freundschaft), des großen   überregionalen Interesses und des breiten Medienechos (MDR KULTUR, MZ, u.a.)   erhielt die daraus entstandene Arbeitsgruppe seitens der Stadt den   Auftrag zur Neugestaltung des Hauses, wofür gemeinsam Drittmittel beim   Land Sachsen-Anhalt sowie weiteren Förderern eingeworben wurden.

„Wie der Körper zur Sprache kommt“

Der Beginn meines Praktikums fiel mit der Bewilligung der Drittmittel im Frühjahr 2018 zusammen. Somit bot sich mir von Anfang an die besondere Gelegenheit, bei den inhaltlichen Vorbereitungen der Ausstellung mitzuwirken. Dies fokussierte sich zunächst auf intensive Planungstreffen mit dem achtköpfigen Ausstellungsteam, in dem die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte aller Beteiligten erarbeitet und stetig weiterentwickelt wurden. Mein eigener Arbeitsschwerpunkt lag dabei zunächst auf einer intensiven Quellenrecherche zu den Hauptthemen der Ausstellung (Verhältnis von Körper und Leib, Papiernes Zeitalter), aus der eine umfangreiche Zitat-Datenbank entstanden ist. In einem zweiten Schritt legte ich meinen eigenen Schwerpunkt innerhalb der Ausstellungsumsetzung auf Dorothea Christiane Erxleben und den komplexen Medizindiskurs der Aufklärungszeit, in der sie als erste promovierte Ärztin und auch als Frau eine besondere Stellung einnimmt. Dafür beschäftigte ich mich mit verschiedenen medizinischen Studien und Texten des 18. Jahrhunderts sowie mit Erxlebens beiden zentralen Publikationen: Zum einen mit ihrer feministischen Schrift von der Gründliche[n] Untersuchung der Ursachen, die das Weibliche Geschlecht vom Studiren abhalten, Darin deren Unerheblichkeit gezeiget, und wie möglich, nöthig und nützlich es sey, daß dieses Geschlecht der Gelahrtheit sich befleisse (1742), zum anderen mit ihrer damals berühmten, von ihr selbst ins Deutsche übersetzten Dissertationsschrift Academische Abhandlung von der gar zu geschwinden und angenehmen, aber deswegen öfters unsichern Heilung der Krankheiten (1755).

Titelblatt zu Erxlebens deutscher Dissertationsschrift. Halle: Gebauer 1755. Foto: Göttinger Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen

Titelblatt zu Erxlebens deutscher Dissertationsschrift. Halle: Gebauer 1755. Foto: Göttinger Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen

Titelblatt zu Erxlebens deutscher Dissertationsschrift. Halle: Gebauer 1755. Foto: Göttinger Digitalisierungszentrum der SUB Göttingen

„Erxlebens Aufklärungen“

In Folge dieser Recherchephase setzte ich die daraus gewonnenen Ergebnisse in einen wissenschaftlichen Artikel um, der in der Begleitpublikation zur Ausstellung erscheinen werden wird. Unter dem Titel Erxlebens Aufklärungen setzte ich mich mit Erxlebens Bedeutung und Leistung als erste promovierte Ärztin Deutschlands auseinander. In ihrer Dissertation formulierte sie die grundlegende Kritik, dass es „dem Kranken kein Vortheil“ sei, „wenn die Cur nur bald und auf eine angenehme Weise, nicht aber zugleich auf sichere Art vollbracht“ würde (Reprint Halle 2004, S. 3). Neben ihrer kritischen Auseinandersetzung mit dem damals gängigen Arzneimissbrauch, der 'Pfuscherei' in der Behandlung oder der Ruhmes- und Gewinnsucht von Ärzten und Apothekern setzt sie sich vor allem für eine bessere medizinische Aufklärung ihrer Patienten ein. Der Artikel verdeutlicht somit nicht nur Erxlebens wichtigen Beitrag zu einem aufgeklärteren Medizindiskurs, sondern profiliert die Quedlinburger Ärztin als eine bedeutende Persönlichkeit im Dienst der Aufklärung.

Wie der Körper zur Sprache kommt. Buchkünstlerische Begleitpublikation zur Ausstellung. Halle 2019. Gestaltung: Marlene Milla Woschni. Foto: Richard Carius

Wie der Körper zur Sprache kommt. Buchkünstlerische Begleitpublikation zur Ausstellung. Halle 2019. Gestaltung: Marlene Milla Woschni. Foto: Richard Carius

Wie der Körper zur Sprache kommt. Buchkünstlerische Begleitpublikation zur Ausstellung. Halle 2019. Gestaltung: Marlene Milla Woschni. Foto: Richard Carius

Organbuch im Erxleben-Raum

Im Rahmen der Ausstellungsgestaltung erstellte ich eine Textfassung für die buchkünstlerische Arbeit „Innensichten“ im Erxleben-Raum her. Dieser war bereits 2008 unter dem Titel Dr. Dorothea Christiana Erxleben - ein ganz normales Ausnahme-Leben    eingerichtet worden. Das Buch, eine Arbeit von Marlene Milla Woschni, zeigt anatomische Zeichnungen und wendet den Blick in das Körperinnere. Die von mir zusammengestellten Textauszüge aus den bearbeiteten Quellen kommentieren die Bilder und ermöglichen somit einen direkten Zugang in Erxlebens Vorstellung von Leiblichkeit.

Der Erxleben-Raum von 2008. Konzeption und Gestaltung: Brigitte Meixner und Wolfgang Fischer. Foto: Laurenz Balzarek

Der Erxleben-Raum von 2008. Konzeption und Gestaltung: Brigitte Meixner und Wolfgang Fischer. Foto: Laurenz Balzarek

Der Erxleben-Raum von 2008. Konzeption und Gestaltung: Brigitte Meixner und Wolfgang Fischer. Foto: Laurenz Balzarek

Fazit

Das Praktikum im Klopstockhaus und die Mitarbeit an der Ausstellung gewährte mir weitreichende Einblicke in die bereits bestehenden sowie die sich wieder etablierenden Arbeitsweisen und Strukturen eines literarhistorischen Museums, welches ich durch „Klopstock in 7 Minuten“ bereits als performanten Aufführungsraum kennengelernt hatte. Dabei erhielt ich wertvolle Einblicke in die Arbeitsbereiche Antragstellung, Kultur- und Museumsmanagement, Ausstellungskonzeption und -gestaltung. Die intensive Auseinandersetzung mit der Person Erxleben erweiterte zudem meine literaturwissenschaftliche Arbeitsweise, durch die ich nicht nur einen klassischen Zugang zu Werk und Wirken einer Schriftstellerin, sondern auch zum (literarischen) Wirken einer Ärztin der Aufklärungszeit herstellen konnte. Dies ermöglichte mir wiederum einen erweiterten interdisziplinären Zugang für mein Verständnis der Aufklärungszeit, welchen ich in die Konzeption neuer Vermittlungsformate zu Erxleben einbringen konnte.

Die vielfältige und spannende Arbeit an der Dauerausstellung zeigten mir exemplarisch ein praktisches Arbeitsfeld für die Aufklärungsforschung auf. Darin konnte ich den gesamten Prozess der wissenschaftlichem Erarbeitung und öffentlichkeitswirksamen Präsentation mitverfolgen und aktiv mitgestalten.

Laurenz Balzarek

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