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Paul Müller: Praktikum an der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle

Ich habe mein Praktikum im Praxismodul des Studiengangs „Kulturen der Aufklärung“ im Archiv des Studienzentrums August Hermann Francke in den Franckeschen Stiftungen zu Halle im Herbst 2017 absolviert.

Meine Aufgabe bestand in der Erschließung der Neuen Halleschen Berichte und der Eingabe der gewonnenen Daten in eine Allegro-C-Datenbank. Die Neuere Geschichte der Evangelischen Missions-Anstalten zu Bekehrung der Heiden in Ostindien (kurz NHB) sind als Nachfolger der Halleschen Berichte zu verstehen, welche ein Periodikum darstellen, das ab dem Jahr 1770 unter oben genanntem Titel erschienen ist. Inhalte dieser, meist zweimal jährlich erscheinenden Zeitschriften, sind Briefe, Diarien und Berichte, welche von Missionaren verfasst und nach Halle, aber auch nach England geschickt wurden. Diese Briefe, Diarien und Berichte wurden redigiert und im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses gedruckt und somit einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Für das Jahr 1770/1771 ist eine Auflage von 4800 Exemplaren nachweisbar. Damit sind die Halleschen Berichte zusammen mit den Neuen Halleschen Berichten die wohl wichtigsten Quellen für Informationen aus und über Indien im 18. Jahrhundert. Das europäische Bild von Indien wurde durch diese Berichte maßgeblich geprägt, da nicht nur über die Mission selbst, sondern auch über Land und Leute, Flora und Fauna sowie über Politik und Herrschaft in Indien berichtet wurde.

Titelblatt von 1776, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle

Titelblatt von 1776, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle

Titelblatt von 1776, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle

Vor Beginn meiner Arbeit im Archiv ermöglichte mir Frau Dr. Klosterberg zusätzlich die Teilnahme am internationalen Sommerkurs des Studienzentrums August Hermann Francke. Ziel des Kurses war die Einführung in die Arbeit mit Handschriften und alten Drucken aus den Beständen des Archivs und der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen. Neben einer intensiven Beschäftigung mit dem Lesen alter Handschriften ermöglichten die Mitarbeiter des Archivs mir ebenfalls, neue und speziellere Recherchemethoden zu erlernen. Gerade die internationale Ausrichtung dieses Sommerkurses (Teilnehmer kamen aus Deutschland, Italien, Ungarn, England und Südamerika) und die daraus folgenden produktiven Gespräche waren ein entscheidender Vorteil.

Neben der Betreuung durch Frau Dr. Klosterberg stand mir bei Fragen ein zweiter Betreuer, Dr. Gröschl, zur Seite und gab mir auch eine Einführung in das Datenbanksystem Allegro-C, welches essenziell für meine Arbeit war. Allegro-C ist ein für Bibliotheken entwickeltes und optimiertes Datenbanksystem, welches in meinem Fall die Erschließung und Katalogisierung der jeweiligen Teile („Stücke“) der Neuen Halleschen Berichte enorm erleichterte:

Allegro-C Oberfläche der Datenbank des Studienzentrums

Allegro-C Oberfläche der Datenbank des Studienzentrums

Allegro-C Oberfläche der Datenbank des Studienzentrums

Neben den einfach zu erhebenden Daten wie etwa dem Jahr der Continuation, der Seitenangabe und der Bandnummer gab es jedoch immer wieder den Bedarf, weitere spezifischere Recherchen zu betreiben. Etwa, wenn in einer historischen Nachricht, einem Diarium oder einer Korrespondenz kein Datum oder kein Empfänger oder gar Autor zu finden war. Hier war es zunächst nötig, in der Hauptdatenbank des Studienzentrums (genannt Grüne Kartei, GK) nach dem entsprechenden Originaldokument zu suchen und ggf. das Dokument zu sichten, um eine fehlende Information zu ergänzen oder aber bereits in der Datenbank vorhandene Informationen einer Handschrift mit dem gedruckten Dokument zu vergleichen.

Dies ermöglicht nicht nur eine weitere Kontrolle der Datenbankbestände, sondern auch die Identifikation von Druck- und Schreibfehlern in den Quellen selbst, welche es Forschern erschweren würden, nach einem bestimmten Dokument zu suchen. Mit Hilfe der Aufnahme der NHB in die Datenbankstruktur von Allegro-C wird es so in Zukunft ebenfalls möglich sein, herauszufinden, auf welcher Quellenbasis die gedruckten Publikationen basieren und ob diese im Archiv vorhanden oder sogar bereits digitalisiert sind. Ebenso beinhaltete meine Arbeit das Einpflegen der entsprechenden Autoren und (im Falle von Briefen) Adressaten sowie der Orte. Anhand dieser Daten lässt sich bereits digital ein Korrespondenznetzwerk erstellen, welches ich exemplarisch mit Nodegoat    umgesetzt habe. Die „Zeitstrahl-Funktion“ von Nodegoat ermöglicht hierbei nicht nur, Clusterbildungen (Halle als großer roter Punkt) visuell darzustellen. Sie erleichtert es auch, Korrespondenzen zu erkennen, die außerhalb der „Hot-Spots“ stattfinden (hier als Beispiel: Wernigerode – Chennai und Tharangambadi/Tranquebar – Colombo im Süden Indiens)

Exemplarische Korrespondenz von 1768 bis 1779 unter Beachtung der Orte von Sender und Empfänger

Exemplarische Korrespondenz von 1768 bis 1779 unter Beachtung der Orte von Sender und Empfänger

Exemplarische Korrespondenz von 1768 bis 1779 unter Beachtung der Orte von Sender und Empfänger

Die akribische Aufnahme der Einzeldokumente innerhalb der NHB ermöglicht so nicht nur eine bessere Recherche, sondern auch eine Auseinandersetzung innerhalb der historischen Netzwerkforschung und bietet ideale Möglichkeiten der Auswertung mittels Methoden der Data-Science und Digital Humanities (Distant Reading).

Abschließend möchte ich mich bei Frau Dr. Klosterberg für die Möglichkeit bedanken, das Praktikum im Studienzentrum zu absolvieren. Des Weiteren möchte ich Herrn Dr. Gröschl für seine umfängliche Einführung und zahlreiche Hilfe bei der Verwendung von Allegro-C und dem Umgang mit Archivalien bedanken. Die Verbindung von Digitalem und Analogem innerhalb meines Praktikums haben mir ein spannendes Arbeitsfeld innerhalb der Aufklärungsforschung gezeigt, welches ich gern weiterverfolgen möchte.

Paul Müller

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