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Vincent Kleinbub: Praktikum bei der Universitätsbibliothek Leipzig

Mein Praktikum bei der Universitätsbibliothek Leipzig absolvierte ich im Rahmen des Datenbankprojekts Gelehrte Journale und Zeitungen als Netzwerke des Wissens im Zeitalter der Aufklärung. Das an die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen angegliederte und vom Akademienprogramm finanzierte Forschungsprojekt widmet sich seit 2011 der digitalen Aufbereitung und Zugänglichmachung von Zeitungs- und Journalbeständen aus dem 18. Jahrhundert. In Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek und der Universitätsbibliothek Leipzig sollen bis 2025 insgesamt 323 Journale und Zeitungen, darin 2.775 Bände aus den Jahren 1688 bis 1815, innerhalb einer allgemein einsehbaren Forschungsdatenbank erfasst werden. Die beständig anwachsende Datenbank ist unter der Domain www.gelehrte.journale.de    abrufbar und wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Der derzeitige Erfassungsstand kann dort jederzeit eingesehen werden, genauso wie im Verlauf der Erschließung auch umfangreiche Dossiers zu den jeweiligen Publikationen entstehen.

Treppenaufgang Bibliotheca Albertina (© Universitätsbibliothek Leipzig)

Treppenaufgang Bibliotheca Albertina (© Universitätsbibliothek Leipzig)

Treppenaufgang Bibliotheca Albertina (© Universitätsbibliothek Leipzig)

Mit Herrn Prof. Schneider, dem Direktor der Bibliothek und Frau Dr. Löffler, die die Arbeitsstelle Leipzig mitbetreut, habe ich im Vorfeld des Praktikums bereits vereinbart, dass ich mich im Zuge einer eigenständigen Forschungstätigkeit intensiv mit der Datenbank befassen würde, um im Anschluss ein detailliertes Feedback über ihre Benutzerfreundlichkeit geben zu können. Die Arbeit während meiner Praktikumszeit umfasste also zwei Aspekte, die zueinander ins Verhältnis gesetzt werden sollten: Einerseits mithilfe der Datenbank eine eigene inhaltliche Fragestellung nachzuverfolgen und dank der beigefügten Links zum jeweiligen Digitalisat in die Quellen selbst hineinzusehen. Andererseits innerhalb dieser Forschungstätigkeit ein besonderes Augenmerk auf den formalen Aufbau der Datenbank zu legen, ihre Stärken und Schwächen zu analysieren und rückzumelden.

Als zu untersuchendes Themenfeld wählte ich in Absprache mit Frau Dr. Löffler die Repräsentation des Siebenjährigen Krieges aus. Obwohl die von 1756 bis 1763 andauernden Kampfhandlungen bis weit über die Grenzen Europas hinaus reichten, der Krieg zuweilen gar mehr als ein kolonialer denn ein kontinentaler hat wirken können, wird er gemeinhin mit dem preußischen Streben nach Vorherrschaft in Schlesien und Sachsen sowie dem mit dem Ausgang des Krieges einhergehenden Machtanstiegs Friedrichs II. identifiziert. Die Quellenlage ist dementsprechend gut: der Krieg wird innerhalb der deutschsprachigen Publikationslandschaft sowohl während seines Verlaufs als auch retrospektiv in beachtlichem Umfang rezipiert. Mein Forschungsinteresse galt dabei vor allem der Frage, ob und inwiefern sich innerhalb der Bezüge auf den Krieg ein spezifisch preußischer Patriotismus abbildete, der während der Regentschaft Friedrichs II. allgegenwärtig war. Allen voran die dichterischen Huldigungen Friedrichs durch Johann Wilhelm Ludwig Gleim und seine Freunde sind es, die zumindest eine gewisse Repräsentation dieses Patriotismus innerhalb von Gelehrtenkreisen nahelegten. Im Fokus des Erkenntnisinteresses stand damit auch die Frage nach der Parteilichkeit verschiedener Journale und Zeitungen, genauso wie der Gelehrtennetzwerke insgesamt, die diese schließlich öffentlich repräsentierten. Spannend erschien mir auch der Vergleich zwischen Publikationen, die auf preußischen bzw. verbündeten Territorien herausgegeben wurden mit denen der Gegenseite.

Eine erste Operationalisierung dessen machte schließlich die Datenbank möglich. Zum Zeitpunkt meiner Recherchen verwies die allgemeine Suche der Datenbank auf 117 Einträge, die in Verbindung zum Siebenjährigen Krieg standen; die meisten von ihnen, dem Aufbau der Zeitungen und Journale damals nach nicht unüblich, Buchrezensionen. 79 der 117 Einträge ließen sich auf die sieben Kriegsjahre datieren, 38 Texte entstammen dem Zeitraum danach. Bereits im Vorfeld konnte also von einer intensiven Rezeption der Ereignisse ausgegangen werden, womit auch schon das Potential der Datenbank, im Besonderen deren Such- und Darstellungsoptionen, in Ansätzen umrissen wäre. Der allgemeinen Suche genauso wie der erweiterten Suchfunktion sind innerhalb des Benutzerinterfaces verschiedene Darstellungsoptionen zugewiesen. Die Datenbank listet die jeweiligen Treffer dabei nicht nur nach Zeitungen auf, sondern erstellt dazu immer noch ein Diagramm, aus dem die prozentuale Verteilung der Beiträge auf die verschiedenen Jahre ersichtlich wird. Die quantitative Dimension der Textproduktion im Siebenjährigen Krieg war dank der Zeitleiste also leicht zu ermitteln, genauso wie dessen Rezeption nach 1763.

Screenshot eines Eintragsauschnittes

Screenshot eines Eintragsauschnittes

Screenshot eines Eintragsauschnittes

Während sich die Bezugnahme auf den Siebenjährigen Krieg nach 1763 auf mehrere Publikationen verteilt, sind es zwischen 1756 und 1763 interessanterweise vor allem drei Zeitungen und Journale, die die zeithistorische Rezeption dominieren und damit den Kern meiner weiteren Untersuchung bildeten: Die Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen (Leipzig, 1715-1784), die Erlangischen gelehrten Anmerkungen und Nachrichten (Erlangen, 1746-1789) und die Freyen Urtheile und Nachrichten zum Aufnehmen der Wissenschaften und Historie überhaupt (Hamburg, 1744-1759). Hinsichtlich meiner Vorüberlegungen interessierten in dieser Auflistung auch die Erscheinungsorte der Publikationen. Leipzig war als Teil Sachsens unmittelbar mit der drohenden Besatzung durch die preußische Armee konfrontiert; die Besatzung Dresdens durch alliierte Truppen beobachteten die Leipziger aus nächster Nähe. Erlangen hingegen gehörte zum Fürstentum Bayreuth, das Friedrich nicht nur wohlgesonnen war, sondern mit Wilhelmine von Preußen auch von seiner Schwester mitregiert wurde. Hamburg wiederum blieb während des Krieges neutrales Territorium; als freie Reichsstadt war es 1762 sogar Schauplatz des Friedensschlusses zwischen Preußen und Schweden.

Ein prinzipieller Zusammenhang zwischen Erscheinungsort und Parteilichkeit ist insbesondere im Erlangischen Fall zu beobachten. Einige dort veröffentliche Artikel und Rezensionen beziehen sich nicht nur positiv auf die Kriegspolitik Friedrichs II. sondern befördern unter anderem ganz aktiv eine Form des patriotischen Heldengedenkens im Kontext des Kriegs. Dass sich wiederum auch die Hamburger Freyen Urtheile und Nachrichten an der Heroisierung Friedrichs II. beteiligen, mag auf den ersten Blick überraschen, zeigt aber auf, dass Erscheinungsort und politische Bezugnahme nicht notwendigerweise miteinander verknüpft sein mussten. Über die Grenzen des preußischen Territoriums hinaus fand Friedrichs Kriegspolitik durchaus Zuspruch in der Gelehrtenwelt des 18. Jahrhunderts.

Titelkupfer zum achten Teil von Karl Friedrich Paulis Leben großer Helden des gegenwärtigen Krieges, 1763 
(© Bayerische Staatsbibliothek)

Titelkupfer zum achten Teil von Karl Friedrich Paulis Leben großer Helden des gegenwärtigen Krieges, 1763 (© Bayerische Staatsbibliothek)

Titelkupfer zum achten Teil von Karl Friedrich Paulis Leben großer Helden des gegenwärtigen Krieges, 1763
(© Bayerische Staatsbibliothek)

Allerdings lassen sich auch innerhalb der Rezensionspraxis auch Ambivalenzen feststellen. In grundsätzlich pro-preußsichen Publikationen genauso rezensiert wie in wesentlich neutraleren Zeitungen und Journalen werden bereits während des Krieges zunehmend historische Quelleneditionen – ein Publikationsgenre, dessen regelmäßige Fortführung sich eng an den Kriegsverlauf des Siebenjährigen Krieg knüpft. In den mehrbändigen Werken werden zahlreiche Dokumente zusammengestellt, zu allererst Staatsschriften, offizielle Verkündigungen, Vertragstexte und ähnliches, aber auch Texte informelleren Gehalts, beispielsweise mehr oder weniger subjektiv verfasste Berichte, Briefe oder gar auf den Krieg bezogene Gedichte sind dort versammelt. Als umfangreiche historische Sammlungen sollen sie der gelehrten Leserschaft einen detaillierten Einblick in die strukturellen Gegebenheiten und Abläufe des Kriegs ermöglichen. Positiv hervorgehoben werden dabei interessanterweise stets Unparteilichkeit und Ausgewogenheit. Als guter Historiker gilt innerhalb der Gelehrtenzeitungen und -journale der, der auf die verschiedenen Kriegsparteien gleichermaßen eingeht, deren Handeln kommentiert und ihre Interessen erläutert. Er stellt mehrere Positionen gegenüber, kommentiert und vermittelt, er schafft Klarheit, bezieht dabei aber möglichst wenig Stellung. Besonders in den Rezensionen der Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen werden diese Prämissen immer wieder und ganz explizit verhandelt; Informativität und Unvoreingenommen avancieren hier zu maßgeblichen publizistischen Prinzipien.

Deutlicher als der Zusammenhang von territorialer Zugehörigkeit und Parteilichkeit lässt sich in Bezug auf die Gelehrtenjournale des 18. Jahrhunderts also ein allgemeiner rhetorischer Duktus vernehmen, der in Bezug auf die Darstellungen des Krieges Überparteilichkeit und Ausgewogenheit anmahnte. Während sich mit diesem Postulat im Fall der Leipziger Neuen Nachrichten eine dementsprechende Rezensionspraxis verband, sind im Hinblick auf die Freyen Urteile aus Hamburg oder die Erlangischen gelehrten Anmerkungen und Nachrichten allerdings Zweifel angebracht, ob dieser auch den Anspruch der Publikation widerspiegelte. Dass man der preußischen Kriegspartei grundsätzliche Deutungshoheit einräumte, partiell sogar einen teils aggressiven Patriotismus befeuerte, gleichzeitig aber Unparteilichkeit als Gradmesser wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit ins Feld führte, legt nahe, dass es sich dabei auch um eine instrumentelle Bezugnahme gehandelt haben könnte. Bilanzieren lässt sich jedenfalls, dass sich die patriotische Bezugnahme auf den Krieg und ein nach außen hin vertretenes wissenschaftliches Neutralitätspostulat in der publizistischen Praxis des 18. Jahrhunderts nicht ausschlossen. Im Gegenteil, konnten offenbar beide ohne weiteres nebeneinander bestehen.

Eine weitergehende Untersuchung könnte genau hier anknüpfen und auf Grundlage der von mir unternommenen Vorarbeiten jenes überparteilich sich gerierende historische Wissenschaftsverständnis noch näher herausarbeiten. Ob der sich artikulierende Patriotismus dadurch tendenziell eher entkräftet oder aber nachhaltig verklärt wurde, wäre im nächsten Schritt sicherlich spannend, zu erforschen. In der Durchführung könnte eine solche Analyse wiederum auf die Forschungsdatenbank zurückzugreifen, die sich für die Bearbeitung von rezeptionsgeschichtlichen Fragestellungen wie dieser bestens eignet.

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