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Berlind Brodthage: Praktikum an der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle

Am Reformationstag 2016 wird in den Franckeschen Stiftungen eine Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Wissensspeicher der Reformation. Die Marienbibliothek und die Bibliothek des Waisenhauses in Halle an der Saale“ eröffnet.  Sie entsteht anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 und wird dem Besucher Gelegenheit bieten, selten erhaltene Bücher der Reformationszeit aus den Beständen beider Bibliotheken kennen und verstehen zu lernen und auch zu bestaunen. Der Arbeitstitel „Wissensspeicher der Reformation“ deutet bereits an, weshalb es besonders lohnenswert ist, Bücher ins Zentrum einer Ausstellung zur Reformation zu setzen. Sie „speichern“ Wissen der Reformation und überliefern uns etwa, welche reformatorischen Gedanken in Halle, wann publik wurden, welche vielleicht lange nicht, und wer an ihrer Verbreitung beteiligt war.

Mein Praktikum im Bereich der Bibliothek des Studienzentrums August Hermann Francke    war den Vorbereitungen zu dieser Ausstellungen verschrieben und begann, als bereits über das Grobkonzept entschieden war und es nun galt, Recherche zu konkreten Themenschwerpunkten zu betreiben.

Der Schwerpunkt, dem mein Praktikum gewidmet war, befasst sich mit der Lutherrezeption der halleschen Pietisten und ihrem Umgang mit dem reformatorischen Erbe. Meine Aufgabe bestand darin, herauszufinden, welche Werke Martin Luthers (1483-1546) in Halle und insbesondere im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses verlegt wurden. Dabei lag der zeitliche Fokus auf dem 18. Jahrhundert, der Zeit, in der August Hermann Francke (1663-1727) wirkte; für mich zugleich ein besonders interessanter Zeitraum, durch den das Praktikum mit unseren Studieninhalten verwoben war.

Meine wichtigsten Recherchemittel waren der OPAC   , die Datenbanken der Bibliotheks- und Archivbestände der historischen Waisenhausbibliothek    und das Verlagsarchiv Gebauer & Schwetschke   . Zunächst fertigte ich Listen zu den ältesten Lutherwerken an, die im Besitz der Franckeschen Stiftungen sind, sowie zu Neuauflagen des 18. Jahrhunderts, die vom Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses als auch von anderen halleschen Verlegern publiziert wurden. Darüber hinaus suchte ich nach halleschen Veröffentlichungen der Schriften Philipp Melanchthons (1497-1560) und einiger weniger bekannten Reformatoren, die in Halle und Umgebung wirkten.

Es bestand die Hoffnung, eine hallesche Publikation zu entdecken, welche Schriften Luthers oder Texte zu Luther in einer Zusammenstellung bündelt, die zuvor noch kein Verleger unternommen hat. Um dies festzustellen, prüfte ich bei den vielversprechendsten Werken, ob sie anderenorts schon einmal verlegt wurden. Handelte es sich bei der halleschen Publikation nicht um eine Erstausgabe, recherchierte ich, ob die Erstausgabe im Besitz der historischen Waisenhausbibliothek ist. Stets war zu bedenken, dass Bücher gefunden werden mussten, die sich ausstellen ließen; die also in einem passablen Zustand erhalten sind und bestenfalls Besonderheiten in ihrer Gestaltung aufweisen. Die Sichtung der historischen Bestände gehörte zu den schönsten Momenten des Praktikums, etwa wenn ich  eine Erstausgabe der Tischreden Luthers aus dem Jahre 1566 in den Händen halten konnte.

Deckblatt der ältesten Ausgabe der Tischreden Luthers (1566), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Deckblatt der ältesten Ausgabe der Tischreden Luthers (1566), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Deckblatt der ältesten Ausgabe der Tischreden Luthers (1566), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Mit Blick auf die Größe und Anzahl der zur Verfügung stehenden Vitrinen bildete ich aus dieser Vorauswahl drei Gruppen: 1. Fremdsprachige Veröffentlichungen der Bibel und des kleinen Katechismus Luthers, die durch die Initiative hallescher Gelehrter entstanden sind, 2. Veröffentlichungen der halleschen Pietisten zum Reformationsjubiläum 1717 und zum 200-jährigen Bestehen der Confessio Augustana und eine 3. Reihe an Veröffentlichungen der Tischreden Luthers.

Luthers Katechismus in handschriftlicher Übersetzung ins Arabische (1716), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Luthers Katechismus in handschriftlicher Übersetzung ins Arabische (1716), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Luthers Katechismus in handschriftlicher Übersetzung ins Arabische (1716), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

In der nun folgenden Arbeitsphase erstellte ich für die Begleitpublikation zur Ausstellung Beschreibungen zu den Drucken und bibliographische Angaben, sowie kurze Texte zur Einleitung der drei Gruppen. Ein Beispiel:

Veröffentlichungen der halleschen Pietisten zum Reformationsjubiläum 1717

Durch Neuauflagen der Schriften Luthers und neu verfasste Texte über den Reformator und dessen Werk haben hallesche Theologen im 18. Jahrhundert ihren Zuspruch zur Reformation zum Ausdruck gebracht. Ebenso wurden Reden und Predigten zum Reformationsjubiläum schriftlich festgehalten und als Buch veröffentlicht. Darunter zahlreiche Drucke aus dem Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Diese Drucke ermöglichten im 18. Jahrhundert vielen Menschen einen Zugang zum Gedankengut der Reformation.

Luther, Martin

Collectio nova epistolarum Martini Lutheri: cum Praefatione Apologetica Joh. Francisci Buddei […].

Halle: Waisenhaus, 1717

BFSt: VERL:1246

Maße (aufgeschlagen): 21 x 36,5 cm

Enthält: Kupferstich, Druckermarke

Die zum Reformationsjubiläum 1717 erschienene Ausgabe der lateinischen Briefe Luthers enthält einen Kupferstich, auf dem der Reformator nebst seinen Büchern zu sehen ist. Unter das Bild ist ein lateinischer Bibelvers gedruckt. Übersetzt lautet er: Die Worte des Herrn bleiben in Ewigkeit. Die Angabe der Bibelstelle wurde vermutlich absichtlich ausgespart (Jesaja 40,8 und 1. Petrus 1,25). Die Zweideutigkeit, wessen Worte ewig währen, sollte bestehen bleiben. Denn dank dieses Drucks bleiben auch die Worte Luthers ewig erhalten.

Ganzkörperportrait Martin Luthers in einer dänischen Übersetzung von Luthers kleinem Katechismus (1722), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Ganzkörperportrait Martin Luthers in einer dänischen Übersetzung von Luthers kleinem Katechismus (1722), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Ganzkörperportrait Martin Luthers in einer dänischen Übersetzung von Luthers kleinem Katechismus (1722), Halle, Bibliothek der Franckeschen Stiftungen

Besonders interessante und sehenswerte Recherchefunde, die sich nicht in eine der drei Gruppen ordnen ließen, hielt ich extra fest, damit sie für andere Themenschwerpunkte der Ausstellung genutzt werden können. Zuletzt dokumentierte ich die Ergebnisse meiner Arbeit, um sie den Kuratoren leicht zugänglich zu machen, in der Hoffnung ihnen bei der Umsetzung der Ausstellung eine Hilfe zu sein.

Besonders gut an der Arbeit während des Praktikums hat mir die Verknüpfung der Recherchearbeit mit der praktisch-kreativen Umsetzung gefallen, wobei ich während meiner Arbeitszeit natürlich nur einen Ausschnitt der Kuratorenarbeit beobachten konnte. Außerdem hat mich das Praktikum durch den direkten Umgang mit Büchern, deren Seiten von zahlreichen handschriftlichen Notizen durchzogen sind, dazu angeregt, einen Handschriftenlesekurs zu absolvieren. Es hat mich gefreut, so freundlich und offen von den Mitarbeitern des Studienzentrums aufgenommen zu werden und ich bedanke mich insbesondere bei Frau Dr. Klosterberg für ihre Anleitung und die Bereitschaft, sich Zeit für meine Fragen zu nehmen.

Berlind Brodthage

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